RUFEN SIE UNS AN (+34) 968 178 158

Wäschetrocknen auf spanischen Balkonen: (K)Ein Tropfen auf den heißen Stein.

Abogado & RA Ingmar Hessler

Hausgemeinschaft

In einem kürzlich ergangenen Urteil hat die Audiencia Provincial de Madrid, einen interessanten Fall im Bereich des spanischen Wohnungseigentumsrechts entschieden. Hierbei ging es um die Nutzung eines Wäscheständers auf einem Balkon und die durch diesen ausgelösten Nachbarschaftskonflikte. Der Fall eignet sich sehr gut, um Einblicke in das spanischen Wohnungseigentumsrecht zu geben, denn ich werde oft gefragt, welche Veränderungen und Gewohnheiten toleriert werden müssen, und wann man erfolgreich eine Unterlassung durchsetzen kann. Am gegenwärtigen Fall kann man dabei sehr gut vermitteln, wie derartige Nachbarschaftsstreitigkeiten von spanischen Gerichten regelmäßig gehandhabt werden.

Dieser Fall hatte nämlich ganz grundlegende Fragen zum Gegenstand: Wann überwiegt das Recht eines Eigentümers auf Nutzung seines Eigentums gegenüber möglichen Beeinträchtigungen der Nachbarn? Welche Rolle spielen langjährige Praktiken oder lange bestehende Zustände in einer Wohnungseigentümergemeinschaft? Und wie gehen spanische Gerichte mit gegebenenfalls bestehenden Widersprüchen zwischen den rechtlichen Vorgaben und der täglichen Übung um?


Ursprung des Streits in der spanischen Eigentümergemeinschaft

Der Fall betraf zwei Nachbarinnen in einem Mehrfamilienhaus in Madrid. Die Klägerin, Bewohnerin einer unteren Wohnung, beschwerte sich über einen Wäscheständer (hier konkret in der Ausführung mehrerer fest installierter, paralleler Wäscheleinen), den ihre obere Nachbarin (die Beklagte) auf ihrem Balkon installiert hatte. Die Klägerin argumentierte, dass der Wäscheständer ihr Licht nehme und Wassertropfen auf ihren Balkon fielen. Sie forderte die Entfernung des Wäscheständers und ein Verbot des Wäschetrocknens an dieser Stelle.

Die Beklagte hingegen behauptete, der Wäscheständer sei seit 30 Jahren in dieser Position und habe nie zuvor Probleme verursacht. Sie wies darauf hin, dass auch andere Bewohner ähnliche Wäscheständer nutzen würden.

In erster Instanz hatte die Klägerin Erfolg, und die Nachbarin wurde verurteilt die Wäscheleineninstallation zu beseitigen. Hiergegen ging die Beklagte in Berufung. Das Berufungsgericht folgte der Wertung der Beklagten, hob das in erster Instanz gefällte Urteil auf, und entschied, dass die Installation bleiben dürfe.


Wie das spanische Gericht das Wohnungseigentumsgesetz anwendete

Das Gericht musste mehrere wichtige rechtliche Aspekte abwägen:

Einerseits war die langfristige Nutzung zu berücksichtigen. Mehrere Zeugenaussagen bestätigten, dass sich der Wäscheständer bzw. die Wäscheleineninstallation seit mindestens 20 Jahren in der gleichen Position befand, und die Ausführung immer die gleiche gewesen war. Derartige langanhaltende Nutzungen können für den Verwender gegebenenfalls einen Vertrauensschutz aufbauen. Dies war deshalb auch ein wichtiger Faktor für die Entscheidung des Gerichts.

Andererseits muss die Nutzung eines einzelnen Eigentümers auch ins Verhältnis zu den Nutzungen und Verhaltensweisen der übrigen Eigentümer und Bewohner ins Verhältnis gesetzt werden. Unter dem Oberbegriff der “gemeinschaftlichen Praxis” muss durch das Gericht Berücksichtigung finden, ob andere Eigentümer gegebenenfalls genauso intensiv oder sogar intensiver die Rechte der übrigen Bewohner einschränken. In diesem Zusammenhang wurde durch das Gericht festgestellt, dass andere Wohnungen im selben Gebäude ähnliche Wäscheständer und Trocknerinstallationen nutzten, was darauf schließen ließ, dass ein derartiges Verhalten eine von der Gemeinschaft akzeptierte Praxis darstellte.

Weiterhin musste das Gericht die Schwere des Eingriffs der verklagten Nachbarin einschätzen. Denn vom Ausmaß und der Schwere der Beeinträchtigung, kann abhängen, ob es sich um ein allgemein zu tolerierendes, gewöhnliches Verhalten oder einen schwerwiegenderen Eingriff handelt. Das Gericht muss im Zuge seiner Entscheidungsfindung bewerten, ob die Art und Weise des Wäschetrocknens und die damit einhergehenden Beeinträchtigungen oder Nachteile für die klagende Eigentümerin eine ausreichend schwerwiegende Störung darstellte, um ein Verbot zu rechtfertigen.

Im Ergebnis kommt es, wie wir sehen darauf an, die Eigentumsrechte des einzelnen Eigentümers und die Interessen der übrigen Nachbarn und der Gemeinschaft insgesamt gegeneinander abzuwägen.

Hierbei kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Nutzung des Wäscheständers und die damit verbundenen Nachteile für die Klägerin, nicht die erforderliche Schwere erreichte, um ein Verbot zu rechtfertigen. Besonders betont wurde, dass die Gemeinschaftssatzung keine spezifischen Regeln zu diesem Thema enthielt und die Eigentümergemeinschaft selbst keine rechtlichen Schritte unternommen hatte.


Auswirkungen auf die Praxis des spanischen Wohnungseigentumsrechts

Diese Entscheidung hat mehrere wichtige Implikationen:

1. Bedeutung langjähriger Praktiken: Das Urteil unterstreicht, dass lang etablierte Praktiken in einer Wohnungseigentümergemeinschaft ein erhebliches Gewicht haben können.

2. Schwellenwert für Störungen: Es wird deutlich, dass nicht jede Unannehmlichkeit als ausreichend schwerwiegend angesehen wird, um rechtliche Schritte bis hin zu einem Verbot zu rechtfertigen.

3. Rolle der Gemeinschaftssatzung: Das Fehlen spezifischer Regeln in der Gemeinschaftssatzung bzw. Teilungserklärung kann zu Gunsten des beklagten Eigentümers ausgelegt werden.

4. Bedeutung der Gemeinschaftsentscheidungen: Der Tatsache, dass die Eigentümergemeinschaft selbst keine rechtlichen Schritte unternommen hatte, wurde vom Gericht eine besondere Bedeutung zuerkannt.


Wie soll sich der Eigentümer eine dem Wohnungseigentumsrecht unterworfenen Immobilie verhalten?

Diese Entscheidung bietet wertvolle Einblicke in die Handhabung von Nachbarschaftskonflikten im spanischen Wohnungseigentumsrecht. Sie zeigt, dass spanische Gerichte dazu neigen, einen ausgewogenen Ansatz zu verfolgen, der sowohl individuelle Rechte als auch gemeinschaftliche Praktiken berücksichtigt. Für Immobilieneigentümer in Spanien unterstreicht dieser Fall die Bedeutung, sich mit der konkreten Lage in der jeweiligen Gemeinschaft vertraut zu machen, und sich zu vergewissern, dass nicht etwa aufgrund des Verhaltens der übrigen Eigentümer von einer stillschweigenden Duldung ausgegangen werden kann, bevor rechtliche Schritte in Erwägung gezogen werden.

Das Urteil mahnt zur Vorsicht bei der Klageerhebung wegen vermeintlich geringfügiger Störungen und betont die Bedeutung des Mangels einer Gemeinschaftssatzung und eines insgesamt toleranten Verhaltens gegenüber anderen Eigentümern. Es zeigt, wie wichtig es ist, dass Gemeinschaftssatzungen klare Regeln für potenziell konfliktträchtige Aspekte und Themen enthalten, um zukünftige Streitigkeiten zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen · FAQ

Welche logischen Folgerungen kann man aus diesem Urteil für Probleme rund um die spanische Eigentümergemeinschaft ziehen?


Welche rechtlichen Grundlagen gelten in Spanien für Streitigkeiten in Wohnungseigentümergemeinschaften?


In Spanien regelt das Ley de Propiedad Horizontal (LPH, Wohnungseigentumsgesetz) die Rechte und Pflichten von Wohnungseigentümern. Artikel 7.2 LPH ist besonders relevant, da er Aktivitäten verbietet, die als störend, gesundheitsschädlich, gefährlich oder illegal gelten. In Katalonien gilt, als einiger Autonomer Gemeinschaft Spaniens, diesbezüglich das 5. Buch des Katalanischen Zivilgesetzbuches (Libro V. del Código Civil de Cataluña).


Wie wird in Spanien entschieden, ob eine Aktivität störend genug ist, um rechtliche Schritte zu rechtfertigen?


Spanische Gerichte betrachten mehrere Faktoren: die Schwere der Störung, ihre Dauer und Häufigkeit, die Auswirkungen auf andere Bewohner und ob die Aktivität gegen spezifische Regeln der Gemeinschaft verstößt. Eine bloße Unannehmlichkeit reicht in der Regel nicht aus.


Welche Bedeutung haben langjährige Praktiken in spanischen Wohnungseigentümergemeinschaften?


Wie dieser Fall zeigt, können langjährige Praktiken erhebliches Gewicht haben. Wenn eine Aktivität seit vielen Jahren ohne Beschwerden durchgeführt wurde, kann dies als Argument für ihre Fortsetzung dienen.


Welche Rolle spielt die Gemeinschaftssatzung bei solchen Streitigkeiten?


Die Gemeinschaftsordnung ist von zentraler Bedeutung. Enthält sie spezifische Regeln zu einem strittigen Thema, haben diese in der Regel Vorrang. Fehlen solche Regeln, wie im vorliegenden Fall, kann dies zugunsten des beklagten Eigentümers ausgelegt werden.


Welche Schritte sollten Immobilieneigentümer in Spanien unternehmen, bevor sie rechtliche Schritte einleiten?


Es empfiehlt sich, zunächst das Gespräch mit dem betreffenden Nachbarn zu suchen. Bleibt dies erfolglos, sollte man sich an den Verwalter oder den Präisdenten der Eigentümergemeinschaft wenden. Erst wenn diese Wege ausgeschöpft sind, sollten rechtliche Schritte in Erwägung gezogen werden.

Wann sollte ein Rechtsanwalt eingeschaltet werden?

In den meisten Fällen genügt es im Zuge einer Erstberatung dem Anwalt die bestehenden Probleme zu schildern. Dieser kann so bereits in einer Frühphase wertvolle Hinweise geben, um den offenen Konflikt zu verhindern, oder für den Fall einer tatsächlich erforderlichen Klageerhebung die Weichen zu stellen.

Sie haben weitere Fragen?

Dann nehmen Sie Kontakt mit uns auf!

Relevante Rechtsgrundlagen


Artikel 7.2 des Ley de Propiedad Horizontal (LPH): Dieser Artikel ist von zentraler Bedeutung im spanischen Wohnungseigentumsgesetz, da er die Grundlage für das Verbot störender, gesundheitsschädlicher, gefährlicher oder illegaler Aktivitäten in Wohnungseigentümergemeinschaften bildet.


Wichtiges Zitat aus dem Urteil (Spanisch / Deutsch):

Estamos ante un acción de cesación del artículo 7.2 LPH, de modo que el cese de la actividad ha de fundarse en la realización de una actividad prohibida en los estatutos que resulte molesta o insalubre, o nociva, peligrosa o ilícita, y en el presente supuesto se advierte que no se cumplen estos criterios de la mínima gravedad que ha de exigirse.Es handelt sich um eine Unterlassungsklage gemäß Artikel 7.2 LPH, so dass die Unterlassung der Tätigkeit auf der Ausübung einer in der Satzung verbotenen Tätigkeit beruhen muss, die lästig oder ungesund oder schädlich, gefährlich oder rechtswidrig ist, und im vorliegenden Fall wird festgestellt, dass diese Kriterien der Mindestschwere, die erforderlich sein müssen, nicht erfüllt sind.


Diese Aussage unterstreicht, dass für ein Verbot einer Aktivität nach Artikel 7.2 LPH eine gewisse Mindestschwere der Störung erreicht werden muss.


Dieser Fall bietet deutschen Immobilienbesitzern in Spanien wertvolle Einblicke in die Handhabung von Nachbarschaftskonflikten im spanischen Rechtssystem. Er unterstreicht die Bedeutung von Toleranz, Kommunikation und dem Verständnis lokaler Gepflogenheiten. Gleichzeitig zeigt er die Bedeutung klarer Regelungen in der Gemeinschaftssatzung, um potenzielle Konflikte zu vermeiden. Für deutsche Eigentümer ist es ratsam, sich daher nicht nur mit den einschlägigen spanischen Vorschriften vertraut zu machen, sondern ebenso die selbstgeschaffenen Satzungen und Hausordnungen sowie einschlägige, vorausgegangene Beschlüsse zu kennen, um harmonisch in ihrer spanischen Immobilie leben zu können.

Abogado & RA Ingmar Hessler

1973 in Frankfurt am Main geboren und aufgewachsen, ist er als deutscher Rechtsanwalt und spanischer Abogado, sowohl in Spanien wie auch in der Bundesrepublik zur Anwaltschaft zugelassen. Er berät und vertritt seine Mandanten aussergerichtlich wie gerichtlich in beiden Ländern. Er ist Mitglied der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, sowie Mitglied der Rechtsanwaltskammern Murcia und Madrid. Vor seiner Niederlassung als Anwalt absolvierte er zwei Postgraduiertenstudiengänge. An der Universidad ICAI-ICADE (Madrid) schloss er einen LL.M. und an der Universidad Autónoma de Barcelona einen M.B.A. ab. Nach Bestehen der staatlichen Übersetzerprüfung und Ernennung durch das spanische Aussenministerium ist Herr Hessler ausserdem seit dem Jahre 2004 als vereidigter Übersetzer und Dolmetscher tätig.

Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Mandatsanfrage

Unsere Anwälte stehen bereit, um Ihnen auch in den schwierigsten Lebenssituationen zu helfen.